Der traurige Tannenbaum
Er stand am Rande eines kleinen Waldstücks, wo Tannen gepflanzt und großgezogen wurden. Richtig! An dieser Stelle im Wald warteten Bäume aller Größen auf das schönste Fest im Jahr. Auf Weihnachten. Anfang Dezember gab es dort gar kein anderes Gesprächsthema mehr. Große, kleine und sogar die ganz krumm gewachsenen schnatterten durcheinander wie eine Herde wild gewordener Gänse. Alle machten sich wichtig und wollten dieses Jahr ganz bestimmt dran sein, wenn die Holzfäller kämen. Eine wunderschöne Blautanne war sehr hochmütig und sagte zu den anderen: „Ihr werdet sehen, ich bin sicher, dass ich die Erste bin, die verkauft wird. In einem Weihnachtszimmer werde ich stehen – herrlich geschmückt – weil ich die Schönste bin von euch allen!“
Und zu unserem Tannenbäumchen, von dem ich euch erzählen werde, meinte sie geringschätzig: „Du, du brauchst gar nicht hoffen, dass dich einer mitnimmt. Du bist noch viel zu klein und so richtig dicht gewachsen bist du auch nicht. Du Kümmerling!“ Damit war für sie das Thema erledigt und sie beteiligte sich nicht mehr an den Gesprächen, die ihr ziemlich auf die Nerven gingen. Zugegeben, ganz unrecht hatte die Blautanne ja nicht, es war wirklich klein und ein wenig spindelig, unser Bäumchen. Aber es konnte doch nichts dafür! Die große Blautanne hatte ihr die ganze Zeit über sehr viel Licht weggenommen und so konnte sie sich nicht richtig entwickeln. Wie auch immer – Tännchen kränkte sich so sehr, dass ihm dicke Harztropfen den Stamm hinunterliefen.
Ein alter Fuchs hatte diese ziemlich einseitige Unterhaltung mit angehört und sagte: „Kleines Bäumchen, kränke dich nicht! Du wirst sehen, alles hat seine Gerechtigkeit! Und: Hochmut kommt vor dem Fall! Merk dir das und vergiss es nicht! Dein Tag wird kommen. Glaube mir!“ In der Nachbarschaft der kleinen Tanne standen natürlich auch noch andere Bäume, die nicht so garstig waren und sie auch trösteten: „Wirst schon sehen, wenn die Alte da weg ist, wirst du auch schön groß wachsen, dann kommst du ganz bestimmt auch als Christbaum in die Stadt!“ Aber es half nichts. Bäumchen war traurig.
Dann kam der Tag, an dem die Holzfäller in den Wald kamen und die Tannenbäume aussuchten. Tatsächlich. Fast alle wurden weggebracht. Der Wald sah an dieser Stelle jetzt kahl und ungemütlich aus. Es begann ganz toll zu schneien und ein bisschen sehnte sich das Tannenbäumchen zurück nach der großen hochmütigen Blautanne, in deren Schutz sie immer gestanden hatte. Schnee und Kälte spürte sie jetzt viel mehr und sie fühlte sich gar nicht wohl. Da kam wieder der Fuchs vorbei und fragte das Bäumchen: „Darf ich unter deinen Zweiglein ein wenig Schutz vor dem argen Schneesturm suchen? Mein Bau ist noch so weit weg und mein Pelz ist schon voller Eis!“ „Ja komm nur! Unter meinen Zweigen ist Platz für dich! Ich bin sowieso so einsam. Vielleicht kannst du mir etwas erzählen!“
„Erzählen kann ich wohl etwas. Du erinnerst dich an die große Blautanne neben dir? Der ist es nicht so gut ergangen. Für ein Weihnachtszimmer war sie viel zu groß und da meinten die Verkäufer, dass sie sie wohl abschneiden müssten, aber dazu ist es dann nicht gekommen. Der Bürgermeister hat sie mitgenommen und vor dem Rathaus aufgestellt. Sie war sehr enttäuscht, weil sie nur mit einer elektrischen Lichterkette geschmückt wurde, alle Menschen an ihr vorüber hasten und sie kaum beachten. Ich sagte dir ja: ‚Hochmut tut nicht gut‘. Stimmt‘s?“ „Dazu kann ich nichts sagen, da bin ich nicht klug genug und sie tut mir eigentlich leid. Hast du von den anderen Bäumen auch etwas gehört?“ „Nein. So nahe komme ich nicht an die Menschen heran, du weißt ja – so gut sind die nicht auf mich zu sprechen. Da hüte ich mich lieber.“ Während er das sagte, leckte er die letzten Eiskristalle aus seinem Fell und als sich der Fuchs ein wenig erholt hatte, ging er wieder seiner Wege und das Bäumchen war wieder alleine. Etwas später ließ sich eine Nachtigall auf seinen Zweigen nieder und begann ihre schönsten Lieder zu singen. Das gefiel der kleinen Tanne und sie lud den Vogel ein, doch bald wieder vorbeizukommen und zu singen. Die Nachtigall sagte zu und versprach, auch ihre Freunde mitzubringen.
Je mehr Tage vergingen, desto weniger einsam war Tännchen. Es kamen immer mehr Waldbewohner vorbei und legten bei ihm eine kleine Rast ein. Weihnachten hatte der kleine Baum fast vergessen. Erst als die Kinder vom Förster durch den Wald kamen, wurde es wieder daran erinnert. Jörgl und Resi trugen zwei schwere Taschen. Was da wohl drinnen sein könnte? Als sie bei dem kleinen Tannenbaum vorbeigingen flogen die Vöglein erschreckt auf, die sich auf ihm niedergelassen hatten. „Da! Das ist genau der richtige für uns! Da sitzen Vögel drauf – und sicher nicht nur jetzt! Sie kennen den Baum und werden zurückkommen. Also los, lass uns anfangen!“
Was taten sie jetzt? Dem Bäumchen wurde ganz anders. Es wurde mit lauter Leckereien für die gefiederten Freunde behängt. Und unter dem Baum legten sie Karotten und viele andere gute Sachen für die verschiedensten Tiere. Resi hatte einige Bedenken und fragte ihren Bruder: „Werden sich die Tiere nicht gegenseitig auffressen oder sich etwas anderes antun, ich meine, wenn der Fuchs kommt zum Beispiel?“ Jörgl lachte und meinte: „Aber doch nicht in der Weihnachtsnacht! Was denkst du dir denn? An diesem Tag ist Frieden unter den Tieren und keines krümmt dem Anderen ein Haar. Da sitzen Fuchs und Hase neben einander und wenn sie Glück haben, kommt das Christkind persönlich vorbei und bringt seinen Segen mit!“ Natürlich konnte sich das Bäumchen nicht selber sehen, aber es fühlte, dass es schön geschmückt war – mit Meisenringen und Vogelwürstchen, mit Nussketten, die die Kinder eigens dafür gebastelt hatten und einigen Speckschwarten – es sollten ja alle etwas abbekommen.
So war der Heilige Abend angebrochen, ohne dass sich das Bäumchen dessen bewusst war. Es reckte seine Ästchen glücklich hoch und wartete auf seine Gäste. Und wirklich. Alle kamen sie und versammelten sich in und vor der kleinen Tanne. Als es dann dunkel geworden war, saßen noch immer alle in Frieden und Eintracht um sie herum. Sie wurde nicht müde, den lustigen Geschichten von Fuchs und Igel zuzuhören. Dann waren auf einmal alle still. Von Ferne hörte man leise Glocken klingen, die immer näherkamen. Ein Lichtschein schob sich durch den Wald und es wurde immer heller.
Ihr werdet es nicht glauben, aber das Christkind kam in seinem weißen Schlitten vorbei und verweilte kurz bei Tännchen und den Tieren. Es war, wie der Jörgl gesagt hatte. Zuletzt spendete es allen seinen himmlischen Segen, bevor es weiterfuhr. Es war so schön. Nie hätte sich der kleine Tannenbaum träumen lassen, dem Christkind so nahe sein zu dürfen. Viel näher als alle Anderen. Gegen Morgen schlief es glücklich ein – auf seinen Zweigen die Vöglein schliefen ebenfalls und unter seinen Ästen lagen Fuchs und Hase, die friedlich neben einander ruhten.
erzählt von Soreylia A. D. 2013
Wir hatten auch nachgesehen, aber da war ja auch nichts, die Täter jeweils ausser Sichtweite. Kann man mal sehen was so ein Hund alles hört.
Sollte man erstmal nachsehen, so ein Tier bellt nie umsonst 😉nennt man Lehrgelf zahlen, solche Nachbarn gibt es leider überall.
Apropos Nordmanntanne: Ein paar Dörfer weiter haben unbekannte Diebe von einem Grundstück eine 3-Meter hohe Nordmanntanne geklaut. Sie stiegen über den Zaun und sägten den Baum einfach ab. Die Welt wird immer verrückter…
Betti, das gab es früher schon. Vor vielen Jahren in Hamburg meckerte unser Nachbar, weil unser Hund am Abend gebellt hatte. Am nächsten Tag kam er, sich zu entschuldigen. Man hatte ihm doch glatt vor Weihnachten einen Nadelbaum geklaut.
Als er sich da mal davor über den bellenden Hund beklagte, hatten Einbrecher den Kiosk vorn an der Strasse aufgebrochen, Zigaretten etc gestohlen. 2x beschwert, dabei hatte unser Harras völlig Recht, nur die Menschen in der Nachbarschaft auf seinen Alarm nicht geagiert. Tja …
Das war wieder eine schöne Geschichte und ich mußte sie nicht selbst lesen. Ich gehöre auch zu den Menschen, die sich an den Blumen in der Natur erfreuen und nicht an denen in der Vase. Wenn ich Geburtstag habe, sage ich immer, ich möchte keinen Blumenstrauß. Ich freue mich über ein Primelchen oder ein Alpenveilchen viel mehr, und das kostet nur ein Bruchteil von dem, was ein Strauß kostet, hält aber viel länger. 😉
Was für eine schöne Geschichte! Habe sie jetzt gemütlich beim Kaminofen gelesen.
Eine berührende und dich sehr schöne Geschichte, dass Beste ist das Ende…das Bäumchen wird nicht abgesägt,die Chance auf ein 2. Märchenweihnachten ist sehr groß. Die Natur ist das größte Geschenk an uns Menschen,darüber muss man sich im klaren sein. 😊😸
Die Natur vollbringt auch ständig Wunder ohne großes Tamtam. Die Menschen staunen über die neuesten (manchmal auch sinnlosesten), Produkte die die Industrie hervorbringt. Aber für die unzähligen Wunderwerke, die ständig vor unserer Nase, durch die Natur hervorgezaubert werden, dafür haben sie keinen Blick.
Eine hübsche Geschichte! Ich selber bin ja immer traurig, wenn man sooo viele Tännchen absägt und nach 2-3 Wochen wegwirft. Auch wenn sie extra dafür angepflanzt wurden. Viel lieber besuche ich die Bäume im Wald oder draussen, wo sie leben.
Am besten gefallen hat mir „Gegen Morgen schlief es glücklich ein.“
Ich habe noch gar nie darüber nachgedacht, ob Bäume auch schlafen? 🤔🎄💖🎄
Ich finde diese Weihnachtsbaumplantagen schlimm. Da wäre Platz für schöne Wälder. Kaum ist was gewachsen, wird es schon wieder gerodet.
Ich werde die Geschichte heute Abend lesen (wenn sie mir nicht vorgelesen wird am Abend), so habe ich was, worauf ich mich heute freuen kann, wenn ich geschafft von der Arbeit komme.
Tschüß bis später.